Herr Erzbischof, Sie haben sich viel Zeit genommen, durch die Dekanate zu reisen. Wenn Sie die Menschen dort treffen, herrscht Festtagsstimmung. Welches Bild konnten Sie gewinnen und wie realistisch kann dieses Bild sein?
Für mich war das auch eine Premiere, nicht nur für die Menschen. Die Dekanate hatten keine Vorgaben, es wurden nur ein paar grundsätzliche und organisatorische Dinge festgelegt: Das sollte einmal die Begegnung mit den Hauptberuflichen sein. Aber dann sollte die Möglichkeit gegeben sein, mit Ehrenamtlichen und Engagierten aus den Gemeinden zusammenzutreffen. Im Zentrum stand dann auch eine gemeinsame gottesdienstliche Feier. Besonders wollte ich etwas kennenlernen, was das Dekanat kennzeichnet. Von daher gab es natürlich so etwas wie „Wir zeigen, wer wir sind“ in einem ganz positiven Sinne. Dahinter steht zu Recht viel Selbstbewusstsein. Gleichzeitig bot jeder Dekanatstag auch die Möglichkeit, Einzelgespräche mit Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen zu führen. Es gab etliche Momente, in denen die Menschen nicht nur die Schokoladenseite gezeigt haben, sondern auch geklagt haben, was nicht funktioniert, was nicht geht und was nicht mehr geht. Der erste Eindruck ist wichtig, weil er prägt.
Aber klar, nicht alles ist benannt worden. Ich kann jetzt sagen, dass ich für die ganz unterschiedlichen pastoralen Situationen, kulturellen, landschaftlichen und sozialräumlichen Unterschiede ein allererstes Gespür bekommen habe.
Ehrenamtliche sind in der Regel noch motiviert. Was muss geschehen, dass aus motivierten Christinnen und Christen keine unmotivierten werden?
Hier sind mir mehrere Dinge wichtig. Wie wir künftig unsere seelsorgliche Arbeit gestalten und strukturieren, ist im Umbruch und noch offen. Es gibt noch nicht das klare Bild, wohin wir uns entwickeln. Ehrenamtliche wollen aber Klarheit, wollen wissen, worauf sie sich einlassen. Deswegen ist es wichtig, dass wir möglichst rasch mit den Menschen Überlegungen für die Zukunft konkretisieren, um zu klaren Zielperspektiven zu kommen. Wie werden die Strukturen aussehen? Was heißt verbindliche Sicherung der Seelsorge? Darüber braucht es Klarheit. Das brauchen auch die Hauptamtlichen. Keiner lebt gerne in einer ständigen Ungewissheit.
Das Zweite ist: Ehrenamt braucht, so erlebe ich es, Wertschätzung. Das ist fast banal. Für mich heißt Ehrenamtswertschätzung in Kontakt, in Beziehung, in Kommunikation zu sein. Die Menschen, denen ich begegnet bin, haben gesagt: „Es ist gut, mit Ihnen direkt reden zu können, zu spüren: Sie hören zu, Sie bringen Ihre eigenen Gedanken mit ein in unsere Gespräche.“ Aufeinander hören und Wahrnehmungen miteinander teilen, das ist ein wichtiges Kennzeichen synodaler Kultur. Das muss auf allen Ebenen passieren, das motiviert. Ehrenamt möchte auch Kompetenz haben.
Kompetenz setzt voraus, dass wir auch dazu befähigen. Die Menschen sollen nicht nur Aufgaben übernehmen, sondern auch einen Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum bekommen. Wir sollten nicht mehr sagen: „Es gibt die und die Aufgabe, und jetzt brauchen wir Menschen, die das machen.“ Sondern: „Wer initiiert mit welchen Gaben und Befähigungen Leben vor Ort?“